Dass der Privatverkauf eines alten Autos ein Panoptikum unterschiedlichster Gestalten und Charaktere an die Oberfläche unserer Gesellschaft spült, ist ja schon hinlänglich bekannt. Ob damals beim Legacy oder beim Kleinwagen einer Bekannten, es war jedes Mal ein fragwürdiges Erlebnis.
Dieses Mal soll mein eigentlich eh ganz toller BMW 730iA E32 weg. Einfach, weil ich mich in Zukunft wieder auf Fahrzeuge konzentrieren möchte, die mir emotional näher sind. Made in Japan, eh scho wissen. 😉 Also inserieren…
Und auch mit dieser Kiste entwickelt sich der Verkauf bald nach Veröffentlichung des Inserats wieder zur Freak-Show. Wie immer. Wer kommt da alles?
Der Gambler: In der Hoffnung, einen Schnapper zu machen, ruft er recht bald an. Interesse sei da, bitte um einen Besichtigungstermin. Bei eben dem er dann feststellt, dass sich der Wagen in sehr gutem Zustand befindet und das aufgerufene Geld durchaus wert sei. Er ist aber nur bereit, knapp 70% des Preises zu bezahlen. Wenn er ihn dafür bekommt, hätte er ein gutes Geschäft gemacht. Wenn nicht, ist es ihm auch egal, er braucht ihn eh nicht. Meist ist er jung, hat Zeit und Ahnung von Autos.
Der Träumer: Er ruft an und redet ihn sich schön, ist gleich Feuer und Flamme. So ein schönes Auto, tolle Farbkombi, alles super. Am liebsten möchte er ihn gleich blind am Telefon kaufen. Besichtigung nicht nötig. Auf meinen Einwand, dass ich ein Auto ohne Besichtigung nicht verkaufe, folgt Unverständnis. Nach längerem Überreden kommt doch noch eine Besichtigung zustande. Bei der er dann feststellt, dass der 29 Jahre alte Wagen doch nicht wie ein Jahreswagen aussieht und sogar einige leichte Mängel im letzten Pickerl-Gutachten hat. Aber er würde sich bestimmt gleich morgen melden… Er ist meist ein Pedant und realitätsfern noch dazu.
Der Schnorrer: Schon am Telefon hört man ihm die Nervosität an. Ob der Wagen denn Mängel habe. „Wie schaltet das Getriebe? Ist der Motor ok? Was verbraucht der Wagen denn? Aber bitte ehrlich sagen!“ Man merkt dem Schnorrer an, dass er gerne würde. Aber er kann nicht aus seiner Haut heraus. Ihm fehlt meist gar nicht das Geld, sondern die nötige Großzügigkeit und Nonchalance, die man einfach braucht, um alte Kisten kaufen, fahren und genießen zu können. Meistens hat er eine gute Ausbildung, kommt aus ländlichen Regionen und einfachen Verhältnissen. Was seinen Umgang mit Geld zu verkrampft macht.
Der Rechner: Seine Taktik ist geprägt von kühler Vernunft. Er analysiert die leichten Mängel im aktuellen Pickerl-Gutachten genau, kennt die Preisnotierungen in einschlägigen deutschen Young- und Oldtimer-Preislisten und hat sich im Vorfeld auch schon über Ersatzteil-Kurse schlau gemacht. Nach einer ausgiebigen Probefahrt beginnt er, die Kosten zur Beseitigung jedes leichten Mangels vom Preis abzuziehen. So kommt er auf einen Betrag, der so weit von der Vorstellung des Verkäufers entfernt ist, dass die Besichtigung spätestens nach Nennung seines Gebots sofort beendet ist. Er ist sehr auf seinen finanziellen Vorteil bedacht, als kühler Rechner lässt er Emotionen außen vor.
Der einzige Lichtblick in diesem Meer aus skurrilen Erlebnissen und semi-angenehmen Probefahrten ist, dass letzten Endes immer noch ein ernsthafter Interessent gekommen ist. So auch in diesem Fall.
Lukas
Danke! Freue mich jetzt schon darauf, die alle kennen zu lernen. Aber vorerst gibt‘s nix zu verkaufen, glücklicherweise…
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